3 ökonomische Argumente für die Legalisierung von Cannabis
- 10. April 2019
- News
Dass Staaten wie Kanada, Südafrika, Uruguay und die Niederlande sowie etliche US-Bundesstaaten Cannabis bereits legalisiert haben, hat nichts mit Ideologie, Sittenverfall oder einer in den Augen vieler allzu konservativer Betrachter fehlgeleiteten Politik zu tun. Eine zunehmende Liberalität hat durchaus einen großen Einfluss. Der Knackpunkt dürften jedoch knallharte Zahlen sein, denn die Legalisierung von Marihuana ist in der Endabrechnung für alle Beteiligten eine wirtschaftliche Win-win-Situation. Was also sind die stichhaltigsten ökonomischen Argumente?
Justus Haucap ist nicht nur Professor für Volkswirtschaft, sondern auch Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Außerdem fungierte bereits als Sachverständiger im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Damit erhält Cannabis akademische Unterstützung höchsten Ranges, zumal Haucap in einer für den Deutschen Hanfverband (DHV) angefertigten Studie drei zentrale ökonomische Argumente durchrechnet und Zahlen vorlegt. Grundsätzlich geht es um den Aufbau eines lukrativen Wirtschaftszweigs inklusive Austrocknung des Schwarzmarkts, die entfallenden Kosten für die Cannabis-Repression und natürlich die für den Staat besonders erfreulichen Steuereinnahmen.
Machen wir uns nichts vor: Der Umschlag und Konsum von Cannabis boomt – ganz gleich, ob es verboten ist oder nicht. Der Düsseldorfer Professor schätzt das Volumen für einen legalen Cannabis-Markt in Deutschland auf 200 bis 400 Tonnen. Die große Spanne ergibt sich daraus, dass die Ermittlung des aktuellen Marktvolumens aufgrund der Illegalität kaum möglich ist und sich auf durchschnittliche Daten aus Staaten stützt, in denen ein legaler Markt existiert.
Ausgehend von einem durchschnittlichen Marktvolumen von 300 Tonnen und einem Preis von durchschnittlich zwölf Euro pro Gramm ergäbe sich ein Umsatz von 3,6 Mrd. Euro. Wie Haucap vorrechnet, läge der Umsatz hierzulande höher als der Umsatz der Film- und Musik-Industrie. Der Aufbau eines starken neuen Wirtschaftszweigs würde zudem zur Entstehung von Arbeitsplätzen im mittleren fünfstelligen Bereich führen. Allein im US-Bundesstatt Colorado entstanden nach der Freigabe von Cannabis rund 30.000 Arbeitsplätze direkt in der Cannabis-Industrie bzw. in deren Umfeld. Unter dem Strich stände mit der Cannabis-Industrie ein Wirtschaftszweig, der im Vergleich zu vielen anderen Beschäftigungsbereichen tatsächlich menschliche Bedürfnisse erfüllt und Mehrwert schafft.
Aus dem Rauschgiftbericht 2017 geht hervor, dass im Jahr 2017 331.000 Drogendelikte verzeichnet wurden. Gut 198.000 davon standen im Zusammenhang mit Cannabis, wobei es sich bei 84 Prozent dieser Delikte um Bagatelldelikte abseits von Schmuggel und Handel handelte. Das Problem liegt auf der Hand: Die Kriminalisierung von Endkonsumenten verschlingt Unsummen, während der unkontrollierte Schwarzmarkt inklusive Problemen wie Bandenkriminalität und gefährlichen Streckmitteln weiter besteht.
Wirtschaftsexperte Haucap schätzt die jährlichen Einsparungen im Bereich von Polizei und Justiz auf mindestens eine Milliarde Euro. Zudem würden Kapazitäten bei Polizei und Justiz frei, um dringlichere Probleme in Angriff zu nehmen. Sowohl Drogenforscher als auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter vertreten diese Position ebenfalls. Den Experten zufolge sei ein kontrollierter Markt mit Qualitätskontrollen und einer umfassenden Investition in Aufklärung sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich besser als die bisherige Prohibition mit dem existierenden Schwarzmarkt.
Trotz jährlichen Rekordsteuereinnahmen produziert die Politik in gewohnter Regelmäßigkeit neue Haushaltslöcher. Eine zusätzliche Steuerquelle durch die Legalisierung von Cannabis käme somit auch dem Bundeshaushalt sehr gelegen. Um das mögliche Steueraufkommen besser einzuschätzen, sollten wir einmal einen Blick auf das Steueraufkommen ausgesuchter Steuern (2017) werfen:
Wie Justus Haucap in seiner Studie vorrechnet, könnte ein Modell für den legalen Verkauf von Cannabis wie folgt aussehen: Angenommen ein Gramm kostet den Endverbraucher 10 Euro, dann entfallen vier Euro auf die Cannabissteuer, zwei Euro auf die Mehrwertsteuer, drei Euro auf die Gewinnmargen von Produzenten und Händlern sowie ein Euro auf die Produktionskosten. Hoch gerechnet auf einen durchschnittlichen jährlichen Verbrauch von 300 Tonnen entspräche dies einem zusätzlichen Steueraufkommen von ca. 570 Millionen Euro MwSt. sowie 1.140 Millionen Euro Cannabissteuer. Für sich genommen würde sich die Cannabissteuer noch vor der Kaffeesteuer einreihen, wobei ein weiteres Wachstum durch die Legalisierung noch gar nicht mit in die Schätzung Haucaps eingeflossen ist.
Damit bekäme der Staat 60 Prozent vom Kuchen ab, was im Vergleich zu 75 Prozent bei Tabakprodukten noch vergleichsweise human wäre. Im gleichen Zusammenhang warnt Haucap jedoch vor Begehrlichkeiten und einer zu hohen Besteuerung. Letztere würde dem dann günstigeren Schwarzmarkt weiterhin Tür und Tor öffnen.
Trotz der harten ökonomischen Argumente, die sich in die Argumentationskette vieler Cannabis-Befürworter einreihen, tritt Haucap auf die Euphorie-Bremse. Der Wirtschaftsexperte rechnet zumindest in der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr mit einer Legalisierung, kann sich aber auch kaum vorstellen, dass die aktuelle Prohibitions-Politik noch zehn Jahre anhalten wird.